{"id":567,"date":"2012-06-23T22:59:40","date_gmt":"2012-06-23T22:59:40","guid":{"rendered":"http:\/\/maischna.de\/?p=567"},"modified":"2013-12-09T23:04:31","modified_gmt":"2013-12-09T23:04:31","slug":"urbain-ndakon-weisheiten-aus-der-elfenbeinkuste-auf-deutsch-gesungen","status":"publish","type":"post","link":"http:\/\/lafritude.com\/?p=567","title":{"rendered":"Urbain N’Dakon: Weisheiten aus der Elfenbeink\u00fcste auf Deutsch gesungen"},"content":{"rendered":"
Seit 1993 lebt Dr. Urbain N’Dakon in Deutschland, zuerst in Bayreuth, wo er an der dortigen Universit\u00e4t promovierte und als wissenschaftlicher Angestellter arbeitete. Seit April 2012 ist Fulda sein neuer Lebensmittelpunkt. Dort arbeitet er in der Qualit\u00e4tsentwicklung beim Caritasverband. Seine Leidenschaft galt aber immer der magischen Kraft der Musik. Wie ein tief verwurzelter Baum der gegen einen Sturm h\u00e4lt, gibt er Solo-Auftritte quer durch die Bundesrepublik und besingt afrikanische Weisheiten auf Deutsch und in seiner Muttersprache, Nzema. Man erlebt Urbain, seine Gitarre und seine Trommel alleine auf der B\u00fchne, wie er gegen den L\u00e4rm und die Anforderungen unserer t\u00e4glichen Existenz in einer technologischen Welt singt.<\/p>\n
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Urbain, Du hast schon mal erw\u00e4hnt, dass Du zwei M\u00fcttern hast: die Elfenbeink\u00fcste als leibliche M\u00fctter und Deutschland als Adoptivmutter. Was ist Deine Erfahrung gewesen, Dich in eine neue Kultur zu integrieren, sowohl pers\u00f6nlich als auch professionell?<\/b><\/b><\/p>\n
Der gr\u00f6\u00dfte Gewinn in meiner Begegnung mit Deutschland ist, dass ich eine (k\u00fcnstlerische) Form gefunden habe, in einem Dialog auf Augenh\u00f6he mit Deutschland einzutreten. Danach habe ich regelrecht ged\u00fcrstet. Vor allem nachdem ich mich von dem Einfluss der ausw\u00e4rtigen Kulturpolitik Deutschlands befreien und mir ein eigenes Bild von Deutschland machen konnte.<\/p>\n
Ich war Deutschlehrer in meiner Heimat. Also hatte ich keinerlei Sprachprobleme, als ich nach Deutschland kam. Nur: Ich\u00a0kannte<\/i>\u00a0Deutschland nicht. Ein Austausch mit deutschen Menschen auf Augenh\u00f6he war f\u00fcr mich lange Zeit ziemlich schwierig. Die meisten Menschen, mit denen ich zu tun hatte, hatten keine Ahnung davon, dass Afrika vor langer Zeit auch \u201eeine Hochkultur\u201c kannte. Eine, die eigentlich noch nicht ganz ausgestorben ist, sondern sich in bestimmten Ecken und Windungen der Seele der Menschen versteckt h\u00e4lt, um in Sicherheit zu leben.<\/p>\n
Es war sehr schwierig, mich als Afrikaner – als Vertreter einer Kultur, die die deutsche auch befruchten kann – Geh\u00f6r zu verschaffen. Ich bin doch nach Deutschland gekommen, um von Deutschland alles zu lernen, sonst nichts. Aber nachdem ich merkte, dass hier \u201eauch nur mit Wasser gekocht wird\u201c und das massive Probleme bestehen, die in meiner afrikanischen Heimat unbekannt sind, ist mein Respekt vor der afrikanischen Kultur gewachsen. Diese Erkenntnis hat mich dann nicht mehr losgelassen. Seit ich die Musik spiele und meine Kenntnis der deutschen Sprache nutze, um afrikanische Philosophie zu vermitteln, seitdem ich das Gef\u00fchl habe, in Deutschland helfen zu k\u00f6nnen, weil meine Gedanken ankommen und den Menschen eine andere Wahrnehmung von Afrika erm\u00f6glichen, f\u00fchle ich mich wohl und angekommen.<\/p>\n
Ein Afrikaner, der sich nur als geistiger Empf\u00e4nger europ\u00e4ischen Wissens begreifen muss, kann sich nicht wohl f\u00fchlen. Und er kann auch keinen Respekt von Seiten der Menschen hier genie\u00dfen. Empfangen und geben, das ist das Gesetz, dass uns Menschen gesund und unsere Seele lebendig h\u00e4lt.<\/p>\n
<\/a><\/p>\n <\/b>Wann hast Du denn bemerkt, dass Du \u201eDeutsch-Ivorianer\u201c geworden bist und warst und nicht mehr nur \u201eIvorianer\u201c? Gab es \u00fcberhaupt so einen Moment f\u00fcr Dich?<\/b><\/b><\/p>\n In mir waren immer, sowohl Eigenschaften der deutschen Seele, als auch welche der afrikanischen. Schon als kleines Kind konnte ich nicht verstehen, warum Menschen zu sp\u00e4t zu einer Verabredung kamen. Im Kinderbasketball in meiner Schule war ich immer der Erste zum Training und habe auf die Anderen gewartet.<\/p>\n D.h.: P\u00fcnktlichkeit ist nicht etwas, was ich erst in Deutschland lernen musste. In der Elfenbeink\u00fcste hatte ich irgendwann eine solche Begeisterung f\u00fcr Deutschland entwickelt – ich war ein leidenschaftlicher Germanist und Gymnasiallehrer f\u00fcr Deutsch \u2013 dass meine Bekannten mich einen Deutschen nannten, obwohl ich noch nie in Deutschland gewesen war. Einmal in Deutschland habe ich dann die afrikanische Kultur, im deutlich gewordenen Kontrast zur deutschen, als einen Rettungsanker erlebt, denn ich konnte mich nicht mehr undifferenziert mit der deutschen Kultur identifizieren. D.h.: Ich bin in der gl\u00fccklichen Lage, das Beste von der deutschen Kultur nehmen und weiter entwickeln zu k\u00f6nnen. Ich f\u00fchle mich in dieser einzigartigen Mischung absolut wohl und bin dankbar, dass ich meine afrikanische Pr\u00e4gung, die Nzema-Sprache usw. nicht vergessen und nicht verlernt habe.<\/p>\n Warum ist es so wichtig f\u00fcr Dich diese beiden Welten in Deiner Musik zu vereinbaren?<\/b><\/b><\/p>\n Diese zwei Welten sind die, in denen ich permanent lebe. Offiziell habe ich mich hier den deutschen Gesetzen und Gepflogenheiten zu richten. Wenn ich aber kein Ventil finde, um meine afrikanische Seele zu ihrem Recht zu verhelfen, dann werde ich krank; weil diese bei mir wohnt und mein F\u00fchlen und Tun mitpr\u00e4gen will. Wenn ich das nicht tue, lebe ich in einem Zustand der geistigen Verkr\u00fcppelung. Deshalb war es f\u00fcr mich \u201elebensnotwendig\u201c diese beiden Welten zusammenzubringen. Das gelingt gut in der Musik, weil sie ein \u201eungef\u00e4hrlicher\u201c Simulationsraum ist, der von allen Menschen akzeptiert wird. Gehe ich nach Berlin und demonstriere daf\u00fcr, dass Afrika als die Mutter der Welt mehr Respekt erf\u00e4hrt, kann das als ein aggressives Verhalten gedeutet werden. Wenn ich dar\u00fcber singe, weniger. Denn Kunst ist nicht die Sprache der Menschen, sondern die Sprache der G\u00f6tter. Und eine Sprache, die die Menschen gl\u00fccklicherweise lieben, die sie respektieren, die sie verstehen und sogar sprechen k\u00f6nnen, wenn sie sich in die H\u00f6he begeben, auf Tuchf\u00fchlung mit den G\u00f6ttern.<\/p>\n Erz\u00e4hl uns ein bisschen mehr von Deiner Musik \u2013 in welche Richtung Deine Musik geht und ob Du eine bestimmte Botschaft dadurch vermitteln willst.<\/b><\/b><\/p>\n Die Musik, die ich spiele, hat ein deutscher Reporter \u201eAfrikanische Songpoesie\u201c genannt. Und das gef\u00e4llt mir pers\u00f6nlich gut, da ich immer gro\u00dfe Probleme hatte, diesen Musikstil \u00fcberhaupt zu definieren. Als Untertitel benutze ich aber diesen Zusatz: \u201eDie Kraft afrikanischer Weisheiten in Melodien und Geschichten\u201c. Als ich durch eigene \u00dcberlegungen erkannte, wo der Unterschied zwischen afrikanischer und europ\u00e4ischer bzw. deutscher Kultur liegt, war ich total verbl\u00fcfft. Es war wie eine Offenbarung. Die Trennlinie liegt beim Begriff der S\u00e4kularit\u00e4t. Europ\u00e4ische Kulturen wollen unbedingt s\u00e4kulare Kulturen sein und bleiben. Afrikanische Kulturen bestehen nicht auf S\u00e4kularit\u00e4t, haben aber Gesetze, Produktionsweisen und Formen der Alltagsbew\u00e4ltigung angenommen, die sie zu einem s\u00e4kularisierten Leben zwingt. Das kann nicht gut gehen. Ich finde die Weisheit des nicht-s\u00e4kul\u00e4ren Afrikas grandios und erhellend f\u00fcr die moderne Gesellschaft. Und das sind die Inhalte, die ich in meiner Musik transportiere. Manche verstehen mich sofort. Andere k\u00f6nnen damit \u00fcberhaupt nichts anfangen, selbst manche Afrikaner nicht.<\/p>\n Jetzt wissen wir etwas \u00fcber Urbain den K\u00fcnstler. Was ist mit dem Teil von Dir, der nicht mit Deiner Kunst zu tun hat \u2026 gibt es so einen Urbain?<\/b><\/b><\/p>\n Wenn ich nicht auf der B\u00fchne stehe, singe ich trotzdem. Wenn ich auf Spaziergang bin, habe ich Melodien im Kopf. Aber wenn ich den G\u00f6ttern deutlich zeige, dass ich im B\u00fcro die Konzentration auf meine Arbeit im Qualit\u00e4tsmanagement brauche, dann lassen sie mich ein bisschen in Ruhe. Das k\u00f6nnen sie auch sehr lange tun, denn sie sind sehr h\u00f6flich. Manchmal mehrere Wochen, bis ich es selbst unertr\u00e4glich finde und wieder auf Tuchf\u00fchlung gehe und anfange Texte zu schreiben oder Melodien aufzunehmen. Das hei\u00dft: Ich habe, wie die meisten Menschen, eine \u201enormale\u201c Arbeit und die Musik ist mein besonderes Privileg, mein \u201eHobby\u201c.<\/p>\n Wenn Du Deutschland f\u00fcr eine verlassene Insel in einem Tag verlassen musstest, was w\u00fcrdest Du mitnehmen?<\/b><\/b><\/p>\n Eine Kiste voller B\u00fccher, eine Gitarre, eine Trommel. In einem dieser B\u00fccher gibt es ein Rezept, wie man auf einer einsamen Insel Essen und Trinkwasser findet.<\/p>\n <\/a><\/p>\n <\/b>Was ist die peinlichste Situation, die Du schon mal erleben musstest?<\/b><\/b><\/p>\n Meine erste Stunde im Gymnasium. Im November 1975. Ich bin 3 Wochen nach Schulanfang ins Gymnasium gekommen und bin gerade in einem Englischkurs hineingeplatzt. Alle Sch\u00fcler waren begeistert dabei, hatten sich ein bisschen Wissen angeeignet und spulten es so mit gro\u00dfer Freude runter. Ich hatte keine Ahnung und fand es unertr\u00e4glich, nicht an der allgemeinen Heiterkeit teilnehmen zu k\u00f6nnen. So habe ich etwas von mir gegeben, das wahrhaftig sehr wenig englisch war. Das hat nat\u00fcrlich weiter zur allgemeinen Erheiterung beigetragen. Aber ich fand es nicht mehr lustig und dachte, wie sch\u00f6n es gewesen w\u00e4re, wenn ich gar nichts gesagt h\u00e4tte. Wie ein alter Spruch lehrt: \u201eWenn das, was Du sagen m\u00f6chtest, nicht sch\u00f6ner klingen soll als die Stille, dann solltest Du lieber schweigen\u201c.<\/p>\n Danke, dass Du dir Zeit genommen hast deine Geschichte mit Maischna zu teilen!<\/b><\/b><\/p>\n Mehr zur Urbain auf seinen Homepage:\u00a0<\/i><\/b>www.urbain-ndakon.de<\/i><\/b><\/a><\/p>\n Zum Beispiel gibt es H\u00f6rproben f\u00fcr Lieder wie\u00a0<\/i><\/b>N\u0092Gblakab\u00f4 Ma – Wanderer<\/i><\/b><\/a>!<\/i><\/b>